Glamping in Glacier

13. Juli - 16. Juli, 60 Meilen, Loop Trail Trailhead to Polebridge

Stefan erkenne ich gleich als er in die Empfangshalle vom Seattle Airport kommt. Kurze Hose, Altra Lone Peaks und Huckepacks Rucksack. Wir haben es also beide durch die Sicherheitskontrolle geschafft. Tatsächlich hat mich die Anreise am meisten gestresst. Der Grenzbeamte schmunzelt nur als ich erzähle was ich vorhabe. Ob die Nüsse und Schokoriegel für die 1200 Meilen reichen, die ich noch vom Flug im Rucksack habe?

Wir sind beide müde und fahren auf direktem Weg ins Hostel. Außer zu Burger und Bier schaffen wir es zu nichts mehr. Ein bisschen gejetlagt sitzen wir am nächsten Morgen um Punkt 6 Uhr beim Frühstück. Wir müssen noch einkaufen. Ursack (ein Kevlar verstärkter, bärensicherer Beutel), Bearspray, Sonnencreme, Anti Chafing Creme, Proviant für 5 Tage und für die Zugfahrt. Den Abschluss unserer Shopping Tour durch Seattle macht eine Dispensary. Daraufhin verbringen wir den restlichen Abend mit einem leicht verplanten Ausflug zur Space Needle. Die 60 Dollar Eintritt sparen wir uns. Gute Ausblicke werden wir die nächsten Monate reichlich haben.

Checkout, Breakfast, Amtrack. 16 Stunden später erreichen wir den Glacier Nationalpark. Ich kann fast die gesamte Zugfahrt durchschlafen obwohl ich leicht verkrampft in dem großen Sessel liege. Nur Gelegentlich weckt micht mein fröhlich vor sich her sigende Sitznachbar.

Im warmen Morgenlicht zieht der dicht bewaldeten Norden der USA am Fenster vorbei. Dann sind wir auch schon am Ziel. Kurz bevor wir aussteigen, treffen wir Billy. Thruhiker Outfit, tätowiert, Kautabak, zurückhaltend, sanfte Stimme, fast ein bisschen scheu. Ein bisschen wirkt er so als hätte er nicht das Flugzeug genommen sonder wäre von Kalifornien aus zu Fuß gelaufen. Stefan und Billy kennen sich vom PCT. Zufällig wollten beide den PNT wandern und so sind wir nun ein Dreiergespann. Gemächlich machen wir uns auf den Weg zur Ranger Station. Billy hat bereits ein Permit beantragt und wir müssen uns nur noch eintragen lassen. In der Ranger Station werden wir begrüsst mit "You guys look like you know what you're doing!". Dennoch müssen wir uns das Video zur Bear Safety ansehen bevor wir den Stempel bekommen.

“Only defend yourself when it starts to eat you!” merke ich mir und dass ich mich bei einem Angriff auf den Bauch legen soll, bis sich der Grizzly ausgetobt hat. Eine Strategie, die mir meine Kollegen ans Herz gelegt haben besteht darin, nur nicht der langsamste beim Wegrennen zu sein.

Unsere Wanderung beginnt nicht am offiziellen Trailhead des PNT. Die Anfahrt ist umständlich, also wählen wir einen alternativen Start. Eigentlich hat Billy den Start für uns gewählt. Ich bin diesmal nur Beifahrer. Eine Irrfahrt mit dem Bus später - wir verpassen unseren Station und glücklicherweise auch einen heftigen Regenschauer - stehen wir beim Loop Trail, ein kurzer Rundwanderweg für Tagesausflügler. Zu Beginn begegnen wir noch anderen Wanderern, aber bald sind wir alleine. Im Schatten der Gletscher bringen wir die ersten Meilen hinter uns.

Es ist schwül, drückend, der Rucksack ist schwer und ich fühle mich unfit. Die Landschaft lässt mich aber all das vergessen. Im Glacier National Park endet auch der Continental Divide Trail, den ich 2021 aufgrund von COVID nicht wandern konnte. Die Alternative war eine Wanderung zum Nordkapp. Nicht kürzer und nicht weniger anstrengend. Dennoch blieb die Sehnsucht einen Long Distance Trail in den USA zu wandern. Verträumt erreichen wir ein Hochplateau. Rechts und links vom Trail blüht es und das ehemalige Waldbrandgebiet erlaubt eine tolle Aussicht auf die nahen Berge. Im Abendlicht beenden wir den Tag in einem offiziellen Camp. Sobald wir den Nationalpark hinter uns gelassen haben können wir zelten wo wir wollen. Bis dahin legt das Backcountry Permit feste Zeltplätze fest. Die Entfernung zwischen den Camps ist auf 15 Meilen beschränkt. Mehr trauen die Ranger den Parkbesuchern nicht zu. Für die 1200 Meilen des PNT peilen wir einen Schnitt von 20 Meilen pro Tag an. Obwohl ich lieber wild zelten würde haben die festen Camps ihre Vorteile. So gibt es fest verankerte Stangen an denen man seinen Proviant aufhängen kann, damit keine Bären darüber herfallen. Die Zeltplätze befinden sich im sicheren Abstand. Als wir ankommen sitzen bereits alle beim Abendessen. Zwei Pärchen, und ein Solo Wanderer. Wir führen Smalltalk, während ich hungrig meinen Kartoffelbrei mit kaltem Wasser im Röstzwiebelbehälter anrühre. Billy hat auch keinen Kocher dabei. Stefan kocht mit Esbit.

Ich freue mich auf mein Zelt. Es ist die erste Nacht unter freiem Himmel in den USA. Ich friere. Die Straps um den Quilt an meiner Isomatte zu befestigen habe ich vergessen und sobald ich mich bewege zieht kalte Luft unter den Quilt. Dennoch, endlich liege ich wieder im Zelt, am Boden, ich fühle mich zuhause.

Die Tage im Glacier Nationalpark vergehen viel zu schnell. Die Strecke ist durch die Campgrounds fest vorgeben und so haben wir viel Zeit für Pausen. Mal wandern wir über Hochplateaus, dann durch überwachsende Trails in bewaldeten Tälern mit teils tollen Ausblicken auf die namensgebenden Gletscher. Gefährlich wird uns nur ein Grouse, der die roten Trailrunning Schuhe von Stefan attackiert. Fortan ersetze ich “Hey Bear!”, das ich gelegentlich rufe um Bären auf uns aufmerksam zu machen, durch ein lautes “Grouuuse”.

Den letzten Tag im Nationalpark verbringen wir am Bowman Lake. Dort treffen wir auf Calzone, die auch auf dem PNT unterwegs ist. Billy und ich entscheiden dass wir am nächsten Tag möglichst früh loswollen. In Polebridge wartet die erste warme Mahlzeit seit Seattle auf uns. Stefan möchte ausschlafen und so trennen wir uns vorerst.

Auf dem Pfad entlang des Sees stoppt Billy abrupt. Vor uns auf dem Trail laufen zwei kleine Schwarzbären. Billy verscheucht sie mit seinem “Ombali”, seiner Aussage nach ein Kampfschrei der Aborigines.

Polebridge ist eine Ansammlung kleiner Holzhütten am östlichen Ende des Nationalparks. Es gibt eine Bäckerei und Dorfladen, kleine Holzhütten zum Übernachten, ein Hostel, einen Foodtruck und ein Restaurant. Kommt man zu Fuß in die Stadt gibt es eine Huckleberries Bear Claw umsonst. Dazu kaufen wir uns einen Kaffee. Danach essen wir Burger im Restaurant. Am frühen Nachmittag treffen Stefan und Calzone ein. Auch sie hatten eine Begegnung mit einem jungen Bären. Sie erzählen dass sie ihn auf der gleichen Strecke wie wir aufgescheucht haben. Der Jungbär ist aus Schreck auf einen Baum geklettert und wieder halb heruntergefallen bevor er sich in die Büsche schlug.

Den restlichen Nachmittag verbringen wir hinter dem Restaurant im Schatten. Ich esse noch eine große Portion Pommes und Pulled Pork beim Foodtruck und könnte nun einen Foodguide für Polebridge schreiben. Daraufhin bekomme ich den naheliegende Trailnamen Nom-Nom verliehen. Wir verabschieden uns von Calzone, die einen Ruhetag einlegen möchte und schlagen nach weiteren 10 Meilen Roadwalk unsere Zelte auf einer stillgelegten Forststraße auf.

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Pacific Northwest Trail - Prolog