Flow

Am nächsten Morgen stehe ich gut gelaunt auf und verbringe nahezu den ganzen Vormittag in der Gaststube. Ich schreibe am Blog und trinke ca. zwei Liter Kaffee. Tatsächlich vermisse ich frischen Kaffee am meisten in meinem Ernährungsplan.
Als die Sonne herauskommt und der Schnee langsam schmilzt verabschiede ich mich. Die nächsten Tage versprechen besseres Wetter und ich mache mich bestens gelaunt auf den Weg. Ich komme schnell in eine Art meditativen Rhythmus und der Tag vergeht wie im Flug. In diesen sogenannten Flow Zustand komme ich nun nach einer Woche immer öfter.

Ich begegne einem älteren Ehepaar und wir unterhalten uns kurz. Die beiden sind ein wenig verblüfft ob meines Vorhabens und die ältere Dame fragt mich ungefähr zehn mal “und sie schlafen draußen?”.
Bevor ich mir aber diesen Abend einen Schlafplatz suche muss ich meinen Wasservorrat aufstocken. Für Abendessen und Frühstück benötige ich zwei Liter und ich trage tagsüber meist nur einen halben Liter zum Trinken mit mir. Obwohl ich einen Wasserfilter im Gepäck habe, musste ich ihn noch kein einziges Mal verwenden. Meistens fülle ich auf Friedhöfen auf oder frage in Dörfern nach Wasser. Dabei scheue ich mich immer weniger und so klingele ich an der nächst besten Haustüre. Obgleich ich etwas seltsam beäugt werde, wird mir meine Bitte nicht verwehrt und ich mache mich auf die Suche nach einem Lagerplatz.

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Dieser ist auch schnell gefunden und da es am Abend noch sehr warm ist freue ich mich auf eine angenehme Nacht. Leider kühlt es schon bald ziemlich ab und ich schlafe nicht besonders gut.

Am nächsten Morgen werde ich vom Lärm einer nahen Großbaustelle geweckt. Ich kann in 20 Metern Entfernung sogar die Baufahrzeuge durch das Dickicht erspähen und so frühstücke ich schnell und mache mich auf den Weg. Nach der kalten Nacht lässt die strahlende Sonne die Temperaturen schnell steigen. Ich erklimme eine kleine Anhöhe und besichtige die Artilleriefeste Wülzburg.

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Der restliche Tag verläuft ereignislos. Ich folge gefühlt den ganzen Tag einem Waldrand, bekomme Wasser und Toffifee von einer freundlichen Anwohnerin geschenkt, mache einen Umweg zu einem Wirtshaus, dass natürlich geschlossen hat und ich tue mich schwer mit der Suche nach einem ruhigen Schlafplatz. Schließlich baue ich mein Zelt nicht sehr gut versteckt in der Nähe von Waldrand und Jägersteig auf. Da es aber bereits dunkel wird und im Landkreis Ausgangssperre gilt mache ich mir dennoch wenig Sorgen.

Bei fünf Grad Außentemperatur kann ich die ganze Nacht durchschlafen und bin bereits um 5:30 Uhr putzmunter. Weil es angenehm warm ist, frühstücke ich diesen Morgen nicht im Zelt, sondern packe zusammen und suche mir eine Rastbank um auf dem Sonnenaufgang zu warten.

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Ich unterhalte mich mit einem Spaziergänger, der seinen Hund Gassi führt und werde mit der Weisheit des Tages belohnt.

„Schön ist es ja überall. Man muss es nur sehen.“

Heute habe ich nur 10 Kilometer zurückzulegen, da ich bei Julia und Domi übernachten darf. Ich freue mich riesig auf meinen ersten Pausentag, bin aber zugleich aufgeregt. Es ist zwar das zweite Mal Couchsurfing, aber das erste Mal, bei dem der Gastgeber anwesend ist.

Julia und Domi und die alte Katzendame Jacky nehmen mich ausgesprochen herzlich auf und wir verstehend uns auf Anhieb. Ich darf meine Wäsche waschen und duschen und wir verbringen den ganzen Tag gemeinsam. Julia ist bereits um die halbe Welt gereist und berichtet von ihren Erlebnissen aus zwei Jahren Weltreise. Die Beiden wollen nun einem Kleintransporter ausbauen und damit Europa erkunden.
Wir kochen frisch zu Mittag, bestellen abends bei bei einem fränkischen Wirtshaus und unterhalten uns angeregt bis spät abends.
Am nächsten Morgen werde ich von strahlendem Sonnenschein geweckt. Bevor ich aufbreche geben mir Julias Eltern noch Brotzeit und frischen Bärlauch, perfekt zum Würzen meiner Fertignahrung, mit auf den Weg. Wir verabschieden uns und ich bin etwas wehmütig.

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Die nächsten Tage bin ich wieder alleine unterwegs und ich finde nur schwer in meinen Rythmus.
Ich mache viele Pausen. Am Ende des Tages komme ich aber trotzdem auf den geplanten Tagesschnitt von 30 km.
Insgesamt habe ich nun bereits über 300 km zurückgelegt, die Ausrüstung funktioniert wie erwartet und meine Füße und Beine sind so fit wie noch nie. Ich werde mir immer sicherer dass ich das Nordkap erreichen kann.

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Glück im Unglück

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Feuer und Eis