Feuer und Eis

Gut erholt und ausgeschlafen stehe ich auf und hole mir erst einmal frische Eier aus dem Stall. Die Hennen waren fleißig und haben sieben Eier gelegt. Die Hälfte esse ich zum Frühstück, den Rest packe ich mir als Proviant ein.

Meine Wäsche habe ich am Vortag gewaschen und über Nacht vor dem Holzofen getrocknet. Ich packe also zusammen und freue mich auf den Tag. Meine Freundin möchte mich einen Teil der heutigen Etappe begleiten. Pünktlich um 9 Uhr steht sie vor der Tür, bepackt mit frischem Proviant und einer warmen Jacke für die nächsten Tage. Wir brechen bald auf und laufen betont langsam, da mein Fußrücken noch etwas schmerzt. Das Wetter ist kalt und windig. Ab und zu reiß es auf und die Sonne kommt durch. Wir laufen in Richtung Donauwörth und sind angenehm überrascht. Das Örtchen hat eine schmucke Altstadt und die Frühjahrsblüher bringen ein wenig Farbe in den ansonsten eher grauen Tag. Grüße an dieser Stelle an Herry, der uns ein Stück mit seinem Hund begleitet.

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Wenn ich erzähle, dass ich an das Nordkap wandere, begegnen mir immer zwei Positionen. Die meisten glauben man müsse auf einer so langen Reise zu sich selbst finden und sich auf das Wesentliche besinnen, also die klassische, spirituelle Idee des Pilgerns. Die Wenigsten sehen in so einer solchen Wanderung die sportliche Herausforderung, den Spaß am Draußen sein und die Freude an der Natur. Das ist es jedoch was mich am meisten motiviert.

Weiter aus Donauwörth hinaus geht es über den Jakobsweg in Richtung Haburg, von wo aus ich auf den Frankenweg weiterwandern möchte. Zunächst einmal führt uns meine Routenplanung aber vom offiziellen Weg und wir laufen über Felder mit garstigem Gegenwind in Sicht- und Hörweite der nächsten Fernstraße. Ich bin ein bisschen wütend aber Daniela kann mich schnell wieder beruhigen.

Bald wird es wieder schöner und wir laufen durch einen Wald. Wir passieren ein Schild auf dem „Werksgelände betreten verboten“ steht und ignorieren es geflissentlich. Schließlich verläuft hier auch der Albsteig. Wenig später stehen wir vor einem Gitterzaun. Umdrehen kommt natürlich nicht in Frage und so laufen wir entlang der Bahngleise, die parallel verlaufen. Langsam zweifeln wir ob es der richtige Weg ist, da uns die Bahngleise direkt durch ein riesiges Zementwerk führen.

Mehrfach müssen wir die Gleise queren und Daniela ist ganz aufgeregt. Nach dem landschaftlich eher langweiligen Tag ist mir die Aufregung aber ganz recht.

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Schließlich erreichen wir den Bahnhof. Der Bahnwärter erwartet uns bereits und fragt uns wo wir denn herkommen, lässt uns aber ohne weitere Strafe davonkommen, nachdem wir ihn über mein Vorhaben unterrichten. Wir sitzen gerade am Bahnhof, Daniela muss mit den nächsten Zug zurück fahren, als der Bahnwärter mit einem Wanderführer zurückkommt und uns über meinen Fehler aufklärt. Ich erinnere mich zurück als ich die Tour plante und der automatischen Routenplanung nicht ganz vertrauen wollte. Ich passte also die Route manuell an, nicht wissend dass der Albsteig zwischen Haburg und Donauwörth verlegt wurde um dem wunderschönen Zementwerk zu weichen. Nunja, auf diese Weise hatten wir wenigstens ein kleines Abenteuer.

Der Bahnwärter warnt mich außerdem vor einem Wetterumschwung in den nächsten Tagen. Nach dem gemäßigten und warmen ersten Tagen wird das dann wohl die Feuertaufe mit Minusgraden, eiskaltem Wind und Schneegestöber.

Aber da muss ich durch. Ich habe noch 10 km vor mir und so verabschiede ich mich von Daniela. Der Abschied fällt mir diesmal wesentlich schwerer als zu Beginn meiner Reise. Die nächsten Tage werde ich auch keine weitere Begleitung haben. Es geht nun also richtig los.

Bald erreiche ich den Frankenweg und es wird sogleich bergig. In einem Waldstück schlage ich mein Zelt auf und wenig später fängt es an zu schneien. Ich merke dass ich mein Zelt wohl nicht am Wind ausgerichtet habe als es mir Schnee durch die Apsiden ins Gesicht weht. Notdürftig stopfe ich das Loch mit meinem Rucksack. Das Zelt neu ausrichten möchte ich in der Dunkelheit nicht mehr. Gottseidank hört es bald wieder auf zu schneien und ich kann beruhigt einschlafen.

Am nächsten Morgen wache ich von der Kälte auf. Noch im Dunkeln packe ich schnell zusammen und setzte mich in Bewegung damit mir warm wird. Zum Frühstück gibt es Riegel und Proteinpulver.

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Mein Weg führt mich weiter durch dichte, verschneite Wälder. Es ist traumhaft schön und ich lege die ersten 10 km wie im Flug zurück.

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In Wemding angekommen wird es Zeit die Vorräte aufzustocken mit Delikatessen wie Müsli, Pumpernickel, Käse, Riegel, Obst und Kartoffelbrei. Ich fülle das Müsli noch im Supermarkt in Zipbeutel um und teile die Verpflegung in Tagesrationen ein. Langsam passt sich mein Hungergefühl an meine Leistung an und muss darauf achten nicht alles auf einmal zu verschlingen.

Ich laufe weiter und komme bald zu der Wallfahrtskirche in Wemding, in der ich mich aufwärme und mein Handy lade. Während ich andächtig in der Kirche sitze schlafe ich schnell ein. Als ich aufwache ist mein Handy geladen. Ich hoffe dass ich nicht allzu laut geschnarcht habe.

Weiter geht es wieder durch Mischwälder. Gefühlt schlängelt sich der Frankenweg durch jeden Wald und über jeden Hügel in Mittelfranken und so kommen auch einige Höhenmeter zusammen. Es ist den ganzen Tag kalt und windig und immer wieder schneit es. Ganz selten scheint die Sonne und Ich muss immer in Bewegung bleiben um nicht auszukühlen.

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Nach 35 km und über 1000 Höhenmetern schlage ich mein Zelt auf. Die Nacht ist gefühlt noch kälter als die Vorherige und ich frage mich ob das an meiner Erschöpfung oder den Temperaturen liegt. Aufgrund der Kälte liege ich ab 2 Uhr nachts wach und kann immer nur kurz dösen. Am Morgen bin ich wieder eingeschneit.

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Es wird leider tagsüber nicht viel wärmer als in der Nacht, auch wegen dem eiskalten böigen Wind und so bleibe ich ständig in Bewegung. Es geht wieder mal über jeden noch so kleinen Hügel und durch jedes noch so kleines Waldstück. Der Frankenweg schlängelt sich immer um die Ortschaften herum und so sehe ich den ganzen Tag fast keinen anderen Menschen und schon gar keine Wanderer. Ich bin nicht wirklich gut gelaunt, da mir kalt ist und ich mich nicht sonderlich fit fühle. Zumindest mein Fuß ist mittlerweile geheilt aber das muntert mich nur ein wenig auf. Zur Ablenkung höre ich den ganzen Tag Podcast und Hörbücher. Nach dem ereignislosen Tag möchte ich gerade einen Platz zum Lagern suchen, da bemerke ich ein Schild mit der Anschrift eines Gasthofes und versuche mein Glück. Schließlich bin ich ja Fotograf und Reisereporter und quasi gewerblich unterwegs. Gottseidank sehen das die Wirte genauso und darf über Nacht bleiben. Die 6 km zum Gasthof lege ich im Sprint zurück. Es gibt eine deftige Minestrone (doppelte Portion) und Brotzeit zum Abendessen und ich führe ein nettes Gespräch mit den Eigentümern.

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Das Gästezimmer hat wieder einen Ofen und ist schon eingeheizt. Ich lege noch ein paar Scheite nach und kümmere mich um meine Ausrüstung bevor ich in einen tiefen und traumlosen Schlaf falle.

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Die ersten Tage