Pause

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19. - 21. April, Frankenweg

Ein weiterer Tag beginnt mit Vogelgezwitscher und Kälte. Wie so oft wenn es früh morgens ungemütlich kalt ist habe ich wenig Lust auf Frühstück. Sogleich beginne ich also mit der gewohnten Morgenroutine. Ich ziehe mein Merino Longsleeve aus, das ich nur zum Schlafen anziehe, und schlüpfe in mein im Quilt vorgewärmtes Hemd. Darüber ziehe ich den Fleecepullover. Meine Merino Leggings behalte ich am Körper und ziehe die Laufhose als zusätzliche Schicht darüber. Danach wechsle ich die Schlafsocken mit den Wandersocken und bin auch schon fertig eingekleidet. Nun geht es an das Zusammenpacken. Der Quilt wird in den Packsack gestopft und gesellt sich mit den übrig gebliebenen Klamotten in den Rucksack. Darauf kommt der Packsack mit meinem Essen und der übrige Kleinkram. Zuletzt baue ich das Zelt ab und putze meine Zähne. Mittlerweile bin ich in ungefähr 20 Minuten aufbruchsfertig. 

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Für heute Abend habe ich eine Quartier gefunden. Allerdings habe ich hoch gepokert und angekündigt dass ich bis sechs Uhr Abends eintreffen werde. Da ich zum Essen eingeladen bin möchte ich nicht zu spät kommen und beeile mich entsprechend. Nach ein paar Stunden stelle ich fest, dass ich nur noch wenige Kilometer vor mir habe und ich mich nicht stressen muss. So routiniert wie ich morgens zusammenpacke, so schwer fällt es mir immer noch die Marschzeit zu berechnen. Also gehe ich es entspannter an und genieße die Umgebung. Am Rand der fränkischen Schweiz verläuft der Görauer Anger mit der markanten Abbruchkante des Jura Gebirges. Von hier hat man einen wunderschönen Ausblick auf das Maintal. Ein einsamer Drachenflieger bereitet gerade seinen Gleitschirm vor um sich damit in die Tiefe zu stürzen.

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Auch ich steige gemütlich ab und gelange nach Peesten. Im Dorfzentrum möchte ich gegenüber eines riesigen Baumes rasten als zwei Ortsansässige mir bedeuten mich zu ihnen zu setzen. Auch sie machen gerade eine Pause von der Baumpflege und bieten mir Kaffee an. Nachdem wir das übliche Fragen Bingo gespielt haben und sie über meine Reise Bescheid wissen, erzählen sie mir im Gegenzug über den Baum, den ich als Botanikbanause natürlich nicht als Linde erkannt habe. Es handelt sich um eine sogenannte Tanzlinde, einer Besonderheit des fränkischen und thüringischen Raums und das Wahrzeichen von Peesten.

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Der Baum wird über Jahrzehnte so zurechtgeschnitten, dass er in der Form eines Würfels heranwächst. Drum herum wird eine Art Baumhaus gebaut, das die Linde im Sommer komplett mit Blättern umschließt. Die Tanzlinde ist Protagonist zahlreicher Feste und die beiden Ortsansässigen sind sichtbar bedrückt als sie erzählen, dass dieses Jahr alle Feste wegen Corona ausfallen würden. Als wir uns verabschieden nehme ich mir vor die Tanzlinde zu besuchen sobald Feiern wieder erlaubt ist. 

Bis zu meiner Unterkunft ist es nicht mehr weit und ich werde sehr herzlich aufgenommen. Marion und Enzio lassen mich in Ihrem 300 Jahre alten und liebevoll eingerichteten Bauernhaus übernachten. Zum Abendessen gibt es Bolognese und ich bekomme zwei riesige Portionen. 

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Wir unterhalten uns den ganzen Abend und schließlich diskutieren wir auch über die Corona Schutzmaßnahmen. Obgleich wir unterschiedlicher Meinung sind und ich auf meiner Reise eigentlich gehofft hatte dem Thema ein bisschen zu entfliehen, finde ich diesen Austausch wichtig. In Zeiten von Telegram Gruppen und Kontaktbeschränkungen findet der Austausch mit gegenteiligen Meinungen und Informationen zu selten auf Augenhöhe und mit Respekt für den anderen Standpunkt statt. Zumindest darauf können wir uns schließlich einigen. Grübelnd und geschafft falle ich an diesem Abend in mein Bett und fasse den Entschluss Marions Angebot anzunehmen einen Pausentag einzulegen.

Am nächsten Morgen bin ich nach dem Frühstück zum Yoga eingeladen. Durch die einseitigen Belastung der letzten Wochen sind die Muskelfasern verkürzt und entsprechend schwer fallen mir manche Posen. Trotzdem tut mir die Abwechslung gut. Den restlichen Tag verbringe ich mit Einkaufen, Essen, Schlafen und Schreiben. Das einzige was nicht zu meiner Regeneration beiträgt sind die niedrigen Türen, an denen ich mir ständige den Kopf stosse. 

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Nachdem ich eine weiter Nacht ausgezeichnet geschlafen habe, verabschiede ich mich gestärkt und ein bisschen verbeult in Richtung Kulmbach.

Am Fluss treffe ich einen äußerst heiteren Wanderer mit Hund, der dort gerade Pause macht. Er erzählt dass er von Blankenstein gestartet ist und dem Frankenweg in die entgegengesetzte Richtung folgt. Da er in einer Schutzhütte geschlafen hat, ist sein Schlafsack pitschnass von der Kondensation und trocknet nun in der Sonne. Das ist unter anderem der Grund dass ich mir immer ein Platz im Wald suche. Auf dem ganzen Weg hatte ich deswegen fast kein Kondenswasser im Zelt oder gar am Schlafsack.
Wir unterhalten uns eine Weile und er erzählt er hätte gerade eine Flasche Wein getrunken. Auch in diesem Punkt unterscheiden wir uns wohl ein bisschen. Da ich ultraleicht unterwegs bin, kommt eine Glasflasche mitzutragen für mich nicht in Frage. Und aufgrund des leidigen Umstands, dass die Weinflasche bereits leer ist, wünsche ich ihm kurz darauf eine gute Reise und ziehe weiter.

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Bald erreiche ich das malerische Kronach und schließlich die ersten Ausläufer des Frankenwalds, wo ich einen perfekten Schlafplatz auf weichen Fichtennadeln finde.

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Von Lamas und Borkenkäfern

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